Weihnachten weltweit: Rituale, die kaum jemand kennt

Während in vielen Ländern das Fest der Liebe mit Lichterketten, Geschenken und geschmückten Bäumen gefeiert wird, zeigt ein Blick über den Tellerrand: Weihnachten ist alles andere als einheitlich. Zwischen tropischen Temperaturen, nächtlichen Prozessionen und ganz eigenen Geschmacksrichtungen finden sich weltweit faszinierende Rituale, die hierzulande kaum bekannt sind – und doch tief verwurzelt in kulturellen Identitäten.

Weihnachten unter Palmen: Die philippinische Riesenlaterne

In der Stadt San Fernando auf den Philippinen ist Weihnachten eine leuchtende Angelegenheit – im wahrsten Sinne des Wortes. Das jährliche „Ligligan Parul“, das Laternenfestival, zieht jedes Jahr Zehntausende Besucher an. Riesige, bunte Laternen mit einem Durchmesser von bis zu sechs Metern werden kunstvoll gestaltet und in einem Wettbewerb präsentiert. Die Muster erinnern an Sterne, Blumen oder Mandalas – und bestehen aus Tausenden von kleinen Glühbirnen, die in aufwendigen Choreografien synchronisiert aufleuchten.

Das Spektakel hat seinen Ursprung in einfacheren Papierlaternen, die während der Messen in der Adventszeit getragen wurden. Heute ist daraus eine eigene Form moderner Weihnachtskunst entstanden, die technisches Know-how mit religiöser Symbolik verbindet. Das eigentliche Weihnachtsfest beginnt danach – und zieht sich, typisch philippinisch, bis weit in den Januar hinein.

Japan: KFC statt Gänsebraten

Japan gehört zu den Ländern, in denen Weihnachten kein gesetzlicher Feiertag ist. Dennoch hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein ganz eigener Brauch etabliert, der wenig mit Christmetten oder Weihnachtsbäumen zu tun hat – dafür aber mit Fast Food. Seit den 1970er-Jahren gehört ein Besuch bei Kentucky Fried Chicken am 24. Dezember für viele Familien einfach dazu.

Ausgelöst durch eine erfolgreiche Werbekampagne ist „Kurisumasu ni wa Kentakkii!“ – also „Kentucky zu Weihnachten!“ – zu einem festen Bestandteil des japanischen Dezembers geworden. Reservierungen für spezielle Weihnachtsmenüs werden teils Wochen im Voraus getätigt. Neben frittiertem Hähnchen gehören auch Erdbeerkuchen und ein stilles Dinner im kleinen Kreis zur modernen japanischen Weihnachtskultur.

Skandinavien: Die Rückkehr alter Geister

In skandinavischen Ländern lebt Weihnachten im Zusammenspiel von Licht und Dunkelheit. Gerade in Norwegen, Schweden und Finnland verschmelzen christliche Feste mit alten heidnischen Elementen. Ein Beispiel dafür ist der „Julbock“ – der Weihnachtsbock –, der ursprünglich aus Stroh gefertigt und als Symbol für Fruchtbarkeit und Ernteglück galt.

Heute begegnet man dem Julbock vor allem als Dekorationsfigur oder in Form des riesigen Gävle-Bocks in Schweden, der alljährlich errichtet wird – und regelmäßig zum Ziel von Brandstiftern wird. Doch auch alte Bräuche wie das Verkleiden als „Julebukker“, also als weihnachtliche Gestalten, und das Umherziehen von Haus zu Haus sind in ländlichen Regionen noch lebendig.

In Island wiederum sorgt die Erzählung der 13 Weihnachtskerle – die „Jólasveinar“ – für Aufmerksamkeit. Diese Trolle schleichen ab dem 12. Dezember nach und nach aus den Bergen in die Dörfer, um Kindern kleine Geschenke oder – bei schlechtem Benehmen – eine Kartoffel zu bringen. Jeder von ihnen hat einen eigenen Namen und ein spezielles Verhalten, vom „Türzuschläger“ bis zum „Topfkratzer“.

Spanien: Wenn das Los das Fest bestimmt

Weihnachten in Spanien beginnt offiziell mit der Ziehung der „El Gordo“ Weihnachtslotterie am 22. Dezember – eines der ältesten und größten Lotteriespiele der Welt. Millionen Menschen verfolgen live die Auslosung, bei der Kinder aus der Madrider Schule San Ildefonso die Gewinnzahlen singen. Fast jede Familie kauft zumindest einen Anteilsschein, oft auch in Bürogemeinschaften oder Nachbarschaften.

Die El Gordo Weihnachtslotterie in Spanien ist damit nicht nur ein Spiel, sondern eine kulturelle Institution, die das Gemeinschaftsgefühl stärkt und symbolisch das Weihnachtsfest einläutet – lange bevor der Truthahn im Ofen brät.

Nebenbei zeigt sich hier auch, wie in vielen Ländern Glücksspiel ein Bestandteil der Feiertagskultur geworden ist – sei es in Form von Lotteriescheinen oder festlichen Casinobesuchen, die in anderen Kulturen gesellschaftlichen Zusammenhalt untermauern.

Mexiko: Neun Nächte der Herbergssuche

Zwischen dem 16. und dem 24. Dezember finden in Mexiko die sogenannten „Las Posadas“ statt. Diese traditionellen Umzüge erinnern an die Herbergssuche von Maria und Josef – und werden in vielen Städten mit viel Musik, Gesang und Laternen begangen. Kinder verkleiden sich, tragen Figuren durch die Straßen und bitten symbolisch um Einlass.

Jede Posada endet mit einem festlichen Empfang in einem privaten Haus, wo es Punsch, Süßigkeiten und oft auch eine Piñata gibt. Diese wird – ganz im Stil des mexikanischen Feierns – fröhlich zerschlagen, wobei das bunte Innenleben ein echtes Highlight für die jüngeren Teilnehmenden darstellt.

Die Posadas sind mehr als eine religiöse Zeremonie. Sie sind soziale Ereignisse, die Gemeinschaft fördern und den spirituellen Kern des Weihnachtsfestes auf zugängliche Weise vermitteln.

Südkorea: Weihnachtsbäume im Glanz der LED-Zeit

Auch in Südkorea ist Weihnachten kein klassischer Feiertag, doch besonders in Städten wie Seoul wird das Fest als romantisches Event zelebriert. Einkaufszentren und Straßenzüge verwandeln sich in grell leuchtende Installationen. In vielen Familien gibt es zwar Geschenke, doch eher im Stil des Valentinstags – als Geste zwischen Liebenden.

Auffällig ist der technologische Einfluss: Anstelle traditioneller Dekorationen dominieren LED-Bäume, digitale Projektionen und Musikshows das Bild. Die westliche Ästhetik wird aufgegriffen und neu interpretiert – in einem kulturellen Spannungsfeld zwischen Moderne und Anpassung.

Weihnachten ist, was daraus gemacht wird

Ob mit Lichterketten, Strohfiguren, Lotterielosen oder Rollschuhen – Weihnachten ist ein Fest der Vielfalt. Gerade die weniger bekannten Bräuche zeigen, wie unterschiedlich das Fest gelebt wird. Und doch geht es in fast allen Traditionen um dasselbe: Zusammenhalt, Licht in dunkler Zeit und die kleinen Rituale, die Generationen miteinander verbinden.

 

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